09. Februar 2021   Aktuelles - Allgemeines
Haushaltsrede

Gehalten am 09.02.2021 im Hauptausschuss als Vertretung Rat / Torben Schultz

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Politik muss in diesen Zeiten Voraus gehen und Kontakte minimieren, Sitzungen kurz halten, den Abstand wahren und Masken Tragen. Gleichzeitig müssen wir demokratisch und transparent Entscheiden, wir müssen die Öffentlichkeit mit nehmen und mit reden lassen.

Ersteres, die Kontaktminimierung, ist unter den demokratischen Fraktionen fast vorbildlich gelungen – wenn wir mal vom fehlenden Lüften und vereinzelt runtergerutschten Masken absehen.

Letzteres, die demokratischen Abläufe, habe ich nun oft genug kritisiert.

Kommen wir also im Rahmen einer Verkürzten Rede zu dem, was wir heute beschließen sollen.

Da haben wir also nach CDU Bekenntnis einen Entwurf, der deutlich ihre konservative Handschrift trägt.

Und wir haben eine Ampel, die fast drei Monate auf die Änderungsliste der Verwaltung wartet um dann mit den frei gewordenen Geldern tröpfchenweise die Roten, Grünen und Gelben Pflänzchen zu gießen.

 

Ein paar erst in der letzten Legislatur abgeschriebene Spielplätze pimpen.

 

Ein wenig Barrierefreiheit, aber nur wenn es sich rechnet.

Dann noch Bäumchen pflanzen – kommt immer gut an – den Ordnungsdienst etwas aufstocken und übersehen, dass die Stadtverwaltung an vielen Stellen kaputt gespart wurde und wir horrende Summen für Externe Vergaben ausgeben.

Obendrauf dann noch etwas Deko für die Innenstädte um die Händler*innen zu beruhigen.

Das alles tut niemanden weh, aber es lindert auch nicht den Schmerz und schon gar nicht bekämpft es die Ursachen.

Ich nenne so was: TROSTPFLASTER!

[Ein Sortiment Kinderpflaster auf den Tisch legend / Bild unten]

Da haben wir Tierkinder zur Auswahl, oder lieber kleine Abenteurer?
Vielleicht auch noch kleine Monster?

Und wie wär´s, habt ihr nicht noch Einhörner vergessen?

Nun gehört der Kämmerer zwar nicht zur Ampel, aber von der Einbringungsrede:
„Schwierige Zeiten lassen uns Entschlossenheit und innere Stärke entwickeln.“
ist nichts übrig.

Haben wir im Dezember noch Entschlossen aus der Mitte des Rates Mönchengladbach zum Sicheren Hafen gemacht, so fehlte es nun an der Stärke das wenige von uns beantragte Geld bereit zu stellen um eine Geflüchteten Unterkunft zu reaktivieren und so die nicht nur in Corona Zeiten nötige Auflockerung zu schaffen.

Oder um bei Sprachkursen eine ausreichende Kinderbetreuung zu sichern.
Nicht mal eine regelmäßige interkulturelle Fortbildung für die Belegschaft war drinne.

Radwege – wie auf der Bismarkstraße – kommen … irgendwann … irgendwie.

Die von der Ampel versprochene weitere Gesamtschule lässt auf sich warten und Eltern erleben ein Anmeldeverfahren mit Ungewissheit über die Zukunft der gewählten Schule.

Und diesen Blindflug garnieren sie alle zusammen auch noch gegen die Stimmen der Linken mit einem Doppelhaushalt! Sie nehmen sich damit die Chance schon im Herbst nach zu justieren, aktuelle Entwicklungen einfließen zu lassen und selber das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen.

Das macht mich und viele da draußen sprachlos.

So schließe ich nun ganz im Sinne kurzer Sitzungen meine Rede, aber nicht ohne die Chance zu nutzen den Rest meiner Rede zu Protokoll zu geben. Und die Bürger*innen können dies auch heute Abend auf unser Webseite lesen.

Vielen Dank.

[Rest der Rede nur zu Protokoll]

Zugegeben, dieser Haushalt kommt unter schwierigsten Bedingungen zustande.

Während im Bund wöchentlich die Gelddruckmaschine für neue Hilfspakete an geschmissen wird, kommt diese Förderung nicht oder nur schleppend bei den Betroffenen vor Ort an.

Während sich die Landesfürsten monatlich mit der Kanzlerin kurz schließen und neue Maßnahmen ausrufen, wissen die Kommunen und Menschen nicht, was nun morgen wieder von ihnen erwartet wird.

Während Europa seine Deals mit den Impfstoff Herstellern lobt, verschiebt der Nordpark ein ums andere mal seinen Start und Menschen hängen in Warteschleifen … aber bleiben ohne Impftermin.

Während die Dinosaurier eines veralteten Verkehrssystem der Luftfahrt und Autoindustrie gerettet werden, sichert dies nur die Rendite. Die Beschäftigten werden in Unsicherheit gelassen.

Während die Fabriken offen bleiben um den Konsum nicht lebensnotwendiger Güter – und damit die Profite – zu sichern, freut sich das Virus, dass nur das Privatleben ruht.

Und so hüpft das Virus von A wie Amazon bis Z wie Zalando auch in Mönchengladbach freudig von Mensch zu Mensch.

Die Pandemie ist global, aber die Folgen sind lokal.

Ungewiss ist, wer in Land, Bund und Europa die Schulden bezahlen soll.
Sicher ist aber, dass wir schon jetzt Krisen Gewinnler haben.

Genauso sicher ist, das der jetzt angeblich noch Ausgeglichene Haushalt ab 2025 schlagartig einen neuen Schuldenberg ausweisen wird. Die Isolation der Corona bedingten Mehrausgaben und Mindereinnahmen ist halt nur ein Buchungs-Trick.

Wer also jetzt nötige Investitionen ablehnt, weil es nicht bezahlbar sei, verschweigt:
Die Schulden sind schon jetzt da!

Aber was sind diese Schulden gegenüber der Last einer kaputten Umwelt und eines ausgehöhlten Sozialsystems?

Und genau da können – ja müssen – wir kommunal Handeln.

Meine Enttäuschung, dass so nicht mal Bescheidene 30.000,- Euro für Geflüchtete da sind habe ich ja bereits benannt. Aber dann lehnte die Mehrheit auch noch unseren Prüfauftrag ab die Kosten für stadtweite, öffentliche Sanitäre Anlagen zu ermitteln.

Stattdessen werden aus der hohlen Hand mal 15.000,- für eine Toilette auf dem Rheydter Markt eingestellt – im vollen Wissen, dass weder den Bau noch die Instandhaltung deckt. Und einig sind sich die Kooperationspartner*in auch nicht, ob dies WC nun temporär kommt bis das neue Rathaus steht oder ob es nur die Anschubfinanzierung für die Vergabe an einen Externen Betreiber ist.

Übrigens: In Odenkirchen am Markt wurde der Betrieb der öffentlichen Toilette 1995 an die Kreisbau und von dieser 2016 an den privaten Investor des Pavillon als Grundbucheintrag übergeben. Nach etlichen Recherchen kam nun raus, dass der Betrieb per mündlicher Absprache ausgesetzt wurde und wie der wieder hergestellt werden kann ist unklar.

Also liebe Ampel, ein Externer Betreiber scheint keine gute Idee.

Langfristig auf die Toilette im Rathaus zu setzen allerdings auch nicht, denn um 21:00 Uhr wenn die Kirmes noch im vollen Gange ist, ist das Rathaus geschlossen.

So wie die Ampel wollten auch wir an die öffentlichen Gebäude ran, doch auch hier war es uns wichtig erst mal seriös den Bedarf zu ermitteln. Was wir nun bekommen ist ungewiss, aber die Ansage „Barrierefreiheit so sie wirtschaftlich ist“ steht.

Und genau da kommen wir zu dem Grundlegenden Problem:

Ja zur Bildung, aber die dringend benötigte weitere Gesamtschule muss nahezu kostenneutral aus dem Bestand entwickelt werden. Auf der Strecke bleiben neue Räume um endlich die Klassen verkleinern zu können. Und gänzlich vergessen ist das Versprechen die 2017 umgeschichteten 8,7 Millionen aus dem Förderprogramm „Gute Schule 2020“ nachzureichen.

Ja zum Klimaschutz, aber wie wir heute noch bei Top 21, der städtischen Klimaschutzstrategie, sehen, nur unter Vorbehalt der personellen und finanziellen Möglichkeiten.

Ja zur Förderung des Radverkehr, aber da reichen ja die bereits eingestellten Mittel. Diese sanieren aber Mehrheitlich nur im Bestand – wirklich neues schaffen? Fehlanzeige!

Aber es geht nicht nur um die Höhe der Eingestellten Gelder, es geht auch um die Nutzung und da werden viele Maßnahmen halbherzig, zu langsam oder falsch umgesetzt.

Beispielsweise wird die Straße Schrödter Feld asphaltiert, die gar nicht im Radwegezielnetz auftaucht. Hingegen wird bei einer Hauptverbindung im Freizeitnetz der Asphalt durch eine Schotterpiste ersetzt.

Wir sanierten für eine 20-Minütige Radtouristik-Fahrt von hochbezahlten Pharmakonzern Vertretern die Straßen und haben später kein Geld mehr für Radwege.

Noch vor wenigen Jahren ließ die Ratsmehrheit die kleinen Flächen auf Verkehrsinseln zubetonieren um nun mit immensen Aufwand überall Insektenfreundliches Straßenbegleitgrün zu schaffen.

Die Aufzählung ließe sich beliebig fortführen, sie zeigt aber lediglich auf, dass nicht alleine die Töpfe im Haushalt entscheiden, sondern auch die Köche die sie nutzen. Hinten runter fällt deswegen in Mönchengladbach immer wieder die eigentliche Bestellung.

Wenn ein sicherer Radweg bestellt wurde, dann dürfen wir keinen Schutzstreifen auftischen. Das passiert aber, wenn im Kühlschrank die Zutaten für den Radweg stehen, dann aber für Radbügel verwendet werden.

Zum Schluss möchte ich dann auf etwas kommen, was gar nicht zum Haushalt gehört:
Die Ausschreibungen!

Sicher wissen sie, dass die Bezirksvertretung Ost der bisherigen Radwegeplanung auf dem Straßenzug Erzbergerstraße – Grevenbroicher Straße eine schallende Ohrfeige gab und eine komplette Überarbeitung beauftragte. Diese wurde dann auf der Vergabeplattform NRW am 5.1.2021 als extern vergeben gemeldet.

Und wir hörten gerade erst von einer halben Million Planungskosten für die Bismarkstraße, wobei es sich auch nur um externe Vergaben handelt.

Und dies zieht sich durch nahezu alle Bereiche, ich möchte zum Beispiel nicht wissen was wir sparen würden, wenn wir ein eigenes Grünflächenamt hätten, dass das „Blühende Mönchengladbach im Maria-Lenssen-Garten“ selber umsetzen würde anstatt es teuer an externe Anbieter zu vergeben.

Und wer die Ausschreibungen regelmäßig mitliest fragt sich schon, wofür wir in der Verwaltung die jeweiligen Fachbereiche haben?

Können oder wollen die nicht?

ODER aber – was ich viel mehr glaube – es reicht einfach nicht mal hier eine Stelle Klimaschutzmanager zu schaffen und dort einen Quartiersbeauftragten. Oder nun mal den KOS etwas aufzustocken.

Und in diesem Sinne landen wir dann über die Ausschreibungen wieder beim Haushalt, denn zu diesem gehört der Stellenplan. Da wurde jahrelang gekürzt und nun auf geringem Niveau eingefroren. Genau hier müssen wir in Menschen investieren – und am ende werden wir dabei sparen: Durch geringeren Krankenstand, durch weniger Ausschreibungen und durch besseren Service für die Bürger*innen.

Es wird also deutlich:
Was wir in der Vergangenheit gekürzt haben, zahlen wir jetzt drauf.
Was wir jetzt nicht Investieren, wird die kommende Generation zahlen.

Dabei hat uns doch gerade die Pandemie gezeigt, das wir nicht am Personal sparen dürfen und dass uns Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge teuer zu stehen kommt.

Die Pandemie heißt Corona,
das Problem Kapitalismus.

Diese einfache Regel gilt auch für den lokalen Haushalt,
und diese Regel gilt nicht erst seit Corona.

Deswegen lehnen wir diesen Haushalt ab.

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