13. November 2019   Aktuelles - Sozialesausschuss
UPDATE: Moratorium für Sanktionen nach Presseerklärung von Herrn Scheele?

Wichtig: Wir haben eine erste Antwort zur derzeitigen Sanktions-Praxis, diese haben wir hier drunter veröffentlicht.

Pressemitteilung 13.11.: Letzte Woche wurde das Urteil zu den Sanktionen bei "Hartz IV" Beziehenden verkündet. Danach äußerte sich der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, in die Richtung, dass sie "in den nächsten zwei, drei Wochen zunächst mal keine Sanktionen auszusprechen". Dies wollte Torben Schultz für die Fraktion nun kontrollieren, ob dies auch in Mönchengladbach angekommen ist. Hier drunter das Schreiben an das Jobcenter.

Zu dem Urteil stellt Schultz nur kurz fest:

- Es darf weiterhin ein Existenzminimum gekürzt werden, somit ist die Würde des Menschen weiter zu 30% antastbar.
- Auch Kürzungen um 60% können in Zukunft möglich sein, wenn die politische Mehrheit das Gesetz im Sinne der Herrschenden "nachbessert". Das Urteil sieht nur derzeit die gesetzliche Grundlage als nicht ausreichend begründet an.

Es bleibt also festzuhalten:
Ohne Sanktionen kollabiert das Hartz-IV-System. Mit Hilfe der Sanktionen sollen Menschen in Jobs gedrängt werden, die es gar nicht gibt. Noch-Beschäftigte nehmen schlechte Entlohnung und verschlechterte Arbeitsbedingungen hin aus Angst in Hartz IV abzustürzen. Verlieren sie ihren Job treten sie eine neue Arbeitsstelle an weit unter ihrer Qualifikation und verdrängen so die Kolleg*innen, für die das gerade passgenau wäre.

Es ist also zu befürchten, dass sich eine Mehrheit finden wird, die zum Vorteil Weniger das Sanktionssystem aufrecht erhalten wird und entsprechende Gesetze auf den Weg bringt.

Das Urteil ist also nur ein temporärer Schritt in die richtige Richtung, aber gleichzeitig auch erschreckend. Ein Existenzminimum kann weiterhin gekürzt werden. DIE LINKE wird deswegen weiter für die komplette Abschaffung des Hartz IV System kämpfen.


Anfrage: Moratorium für Sanktionen nach Presseerklärung von Herrn Scheele?

Sehr geehrter Herr Müller,

nach dem Sanktions-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 05.11.2019 hat der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, im Rahmen eines Interviews mit dem Deutschlandfunk folgende Erklärung abgegeben:

"Wir haben am Nachmittag des Urteils zusammengesessen mit den Ländern, der Bundesregierung, dem BMAS, und den kommunalen Spitzen und haben vereinbart, in den nächsten zwei, drei Wochen zunächst mal keine Sanktionen auszusprechen, auch nicht im Jugendbereich, weil ich vermute, dass Artikel eins als grundrechtliche Norm auch für unter 25-Jährige gilt. Insofern machen wir erst mal gar nichts, sondern gucken uns das Urteil an. Dann können wir auch keinen Fehler machen, denn wir müssen klären, wie wollen wir mit Jugendlichen umgehen, die vom Verfassungsgericht nicht behandelt worden sind, und wir müssen klären, wie wir mit den Ermessensfragen umgehen, die wir jetzt bekommen haben, in Richtung Härtefälle und der Flexibilität von Sanktionen, sie auch eher aufzuheben, wenn jemand auf die Idee kommt, wieder mitzuwirken. Da müssen wir Regeln schaffen, die für unsere Mitarbeiter und auch für die Betroffenen transparent und nachvollziehbar sind, und das kann man nicht ad hoc über Nacht. Darum haben wir uns gemeinsam mit unseren Partnern entschieden, hier zunächst mal gar nichts mehr zu machen, bis wir Klarheit haben."
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/ba-chef-scheele-zu-hartz-iv-wir-haben-unser-ermessen-immer.694.de.html?dram:article_id=462829

In der Sozialberatung der Linken haben wir immer wieder Sanktionsfälle gehabt, in denen die davon betroffenen Menschen aufgefordert wurden, zu den sogenannten Meldeversäumnissen oder zu der sogenannten mangelnden Mitwirkung Stellung zu nehmen.

Aufgrund der Presseerklärung von Herrn Scheele gehen wir davon aus, dass Sie ihre Mitarbeiter*innen angewiesen haben, zunächst keine Sanktionen mehr zu verhängen. Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie uns dieses "Moratorium" bestätigen würden.

Mit freundlichem Gruß
Torben Schultz


Antwort zusammengefasst:

Wir haben mittlerweile eine erste Antwort, es wird aber klar gesagt, dass noch weitere Konkretisierungen erwartet werden, es laufen noch Abstimmungen zwischen den Ministerien und der Bundesagentur für Arbeit.

Nach Stand jetzt (27.11.2019) werden keine Sanktionsentscheidungen getroffen, sofern folgende Pflichtverletzungen vorliegen:

  • Weigerung, die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten (z.B. Nachweis v. Eigenbemühungen) zu erfüllen,
  • Weigerung, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, fortzuführen oder die Anbahnung durch Verhalten zu verhindern,
  • Weigerung, eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit anzutreten, eine Maßnahme abzubrechen oder Anlass für den Abbruch zu geben, ohne dass der erwerbsfähige Leistungsberechtigte hierfür einen wichtigen Grund angeben kann.

Die Aussetzung der vorstehend gelisteten Sanktionsbescheide gilt auch für den Personenkreis der unter 25-jährigen Leistungsbezieher.

Zu beachten bleibt, dass es sich weiterhin um eine "sanktionsbewehrte Pflichtverletzung" handelt, sprich es bleibt abzuwarten, was die Abstimmungsprozesse ergeben.

Sanktionsentscheidungen sind weiterhin sehr wohl zu treffen, wenn die erwerbsfähigen Leistungsbezieher zu Einladungen ohne wichtigen Grund nicht erscheinen ("Meldeversäumnisse"). Jedes Meldeversäumnis ohne wichtigen Grund wird derzeit weiterhin mit 10% sanktioniert.

Laufende Sanktionsentscheidungen mit Kürzungen von 60 % bzw. 100% werden rückwirkend ab dem 05.11.19 (Verkündung des Urteils) auf 30% abgesenkt. Dies gilt zunächst nicht für den Personenkreis der unter 25-jährigen Leistungsbezieher. Diese bleiben zunächst in dem festgelegten Umfang bestehen.

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